Kletterseil-Kaufberatung: Welches Seil passt zu meinem Abenteuer?
Kletterprofis wissen: Ohne entsprechende Absicherung braucht man in eine Route gar nicht erst einzusteigen. Herzstück der Ausrüstung sind klar die Kletterseile, aber welches solltest du dir aussuchen? Und womit bist du wirklich sicher unterwegs? Wir erklären, worin sich die einzelnen Kletterseil-Arten unterscheiden, wofür sie sich eignen und worauf du noch achten musst.
Statische und dynamische Seile: der Unterschied
Bei Seilen unterscheidet man grundsätzlich zwischen Statikseilen und Dynamikseilen, wobei sich die beiden Arten vorrangig in ihrer Elastizität unterscheiden. Während Statikseile nur über eine geringe Dehnung von maximal 5 % verfügen, können sich Dynamikseile auf bis zu 40 % ihrer Originalgröße ausdehnen. Und hier wird es wichtig für Kletterer: Zur Sicherung niemals ein Statikseil verwenden! Bei einem Sturz können durch die geringe Dehnung schwere Verletzungen auftreten, egal, wie gering der Sturzfaktor ist! Statikseile kommen zwar in der Höhlenforschung oder bei der Bergrettung zum Einsatz, doch niemals im Klettersport.
Die 3 Kletterseil-Arten
Um sich beim Klettern abzusichern, gibt es für jede Situation ein anderes Kletterseil, das speziell auf seine Umgebung angepasst ist. So wird das Risiko bei einem Sturz effektiv minimiert. Wichtig: Kletterseile müssen eine Mindestanzahl von sogenannten “Normstürzen” aushalten; ein Seil wird dabei mit einem bestimmten Gewicht (zumeist 80 kg als typisches Kletterergewicht), das aus einer gewissen Höhe fällt, belastet. Dieser Belastung muss das Seil standhalten, während der Fangstoß, also die Kraft, mit der der Stürzende durch das Seil abgebremst wird, eine gewisse Anzahl an Kilonewton (kN) nicht überschreiten darf. Folgend eine Übersicht zu den 3 typischsten Kletterseil-Arten:
Einfachseile
- Einsatzbereich: Hallenklettern, Sportklettern, Eisklettern, Hochtouren
- Symbol: (1)
- Dicke: ca. 8,5–11 mm
- Normstürze: mind. 5 bei max. 12 kN
- Gewicht: 48–80 g/m
- Vorstieg: Einfachstrang
- Nachstieg: Einfachstrang
Einfachseile sind äußerst unkompliziert in der Handhabung und sehr robust. Dicke Modelle besitzen eine höhere Lebensdauer, sorgen allerdings auch für mehr Reibung; bei längeren Strecken kann deshalb ein etwas dünneres Seil von Vorteil sein. Für Anfänger empfehlen sich Einfachseile mit einem Durchmesser von 10 mm.
Halbseile
- Einsatzbereich: Alpinklettern, Eisklettern, Hoch- und Gletschertouren, Tradclimbing, Dreierseilschaft
- Symbol: (½)
- Dicke: 7,5–9 mm
- Normstürze: 5 bei max. 12 kN
- Gewicht: 38–55 g/m
- Vorstieg: Doppelstrang
- Nachstieg: Einfachstrang
- Empfohlene Länge: 60 Meter
Halbseile nutzt man im Gegensatz zu Einfachseilen im Doppelstrang; sprich, der vorsteigende Kletterer wird durch zwei dünne Kletterseile gesichert. Dadurch ergeben sich folgende Vorteile:
- Es ist eine erhöhte Redundanz gegeben – das Risiko, dass beide Seile durch eine äußere Einwirkung (z. B. Steinschlag) durchtrennt werden, ist äußerst unwahrscheinlich.
- Im Vorstieg kann abwechselnd das linke oder rechte Seil eingehängt werden; dadurch wird ein gerader Seilverlauf sichergestellt und die Seilreibung abgeschwächt.
- Bei Halbseilen steht die volle Länge zum Abseilen zur Verfügung. Das ist vor allem bei einem Abbruch der Kletterpartie vorteilhaft (z. B. bei aufziehendem Schlechtwetter), da Halbseile auch im Einfachstrang genutzt werden können, insofern das Sturzrisiko als gering eingeschätzt wird.
- Besteht eine 3er-Seilschaft, können die zwei Nachsteiger je einem Seilstrang gut gesichert und in ihrem eigenen Tempo folgen.
Zwillingsseile
- Einsatzbereich: Alpines Klettern, Eisklettern
- Symbol: ⚭
- Dicke: 6,9–8,9 mm
- Normstürze: 12 bei max. 12 kN
- Gewicht: 35–45 g/m
- Vorstieg: Einfach- und Doppelstrang
- Nachstieg: Einfach- und Doppelstrang
- Empfohlene Länge: 50 Meter
Zwillingsseile werden vorrangig von erfahrenen Kletterern verwendet, da sie für ihr gutes Handling bekannt sind. Sie sind extrem dünn und leicht, müssen aber, wie es bereits der Name verrät, gemeinsam in die Sicherung eingehängt werden.
Wie lang und dick sollte mein Kletterseil sein?
Kletterseile gibt es in allen möglichen Längen und Stärken. Was für dich richtig ist, hängt vor allem vom Einsatzgebiet ab.
Hallenklettern
Standardmäßig sollte eine Länge von 50 bis 60 Metern ausreichend sein; jedoch sollte man sich vor dem ersten Besuch einer neuen Halle oder eines Kletterturm informieren, welche Maximal-Höhe einen dort erwartet. Das Seil muss schließlich nicht nur für den Vorstieg, sondern auch für das Ablassen ausreichend Länge aufweisen. Für den universellen Einsatz eignet sich eine Dicke zwischen 9,5 bis 10,5 Millimeter, das Seil selbst ist im Idealfall möglichst robust und langlebig.
Sportklettern
Auch hier ist die empfohlene Länge vom Klettergebiet abhängig. Während in bestimmten Gebieten 40 Meter ausreichen, eignen sich 60 Meter in anderen besser. Aufschluss geben hier aber Kletterführer oder ein Blick auf die Topo (eine grafische Karte der Kletterroute). Handelt es sich um eine längere Route, empfiehlt sich ein leichteres Kletterseil, um Energie zu sparen. Eine Stärke zwischen 8,7 und 9,2 Millimeter eignet sich hier gut. Für kürzere, aber anspruchsvolle Routen, ist eine Dicke von mindestens 9,5 Millimeter perfekt.
Alpinklettern
Beim Alpinklettern kommen mehrheitlich Halb- oder Zwillingsseile zum Einsatz, was bedeutet, dass dir beim Abseilen die volle Seillänge zur Verfügung steht. Deshalb reicht in der Regel eine Seillänge von 80 bis 100 Metern selbst bei langen Passagen aus. Verwendest du ein Zwillingsseil, darf das Seil ruhig ein wenig dünner ausfallen (6,9–8,5 Millimetern), als wenn es sich um ein Halbseil handelt (7,7–9 Millimeter).
Kompatibilität zu Sicherungsgeräten
Beim Kauf eines Kletterseils ist zusätzlich die Kompatibilität zum Sicherungsgerät gefragt. Denn nicht jedes Sicherungsgerät passt für jedes Seil ideal. Je nach Stärke des Kletterseils sollte man von manchen Modellen besser die Finger lassen. Am besten informierst du dich also vorab nicht nur über Seile, sondern liest auch unsere Sicherungsgerät-Kaufberatung oder lässt dich von unseren Experten in einem unserer HERVIS Stores beraten.
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Diese Tipps und Infos haben wir nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Wir bitten jedoch um Verständnis, dass wir eine Haftung dafür nicht übernehmen können.